Stellungnahme Ortstermin Bessenbach – Kreuzung Frauengrund-Nord

 

Am 24.11.2023 haben Manfred Röllinghoff, Tino Fleckenstein und Christine Kunkel für den ADFC Aschaffenburg – Miltenberg e.V. an einem Ortstermin zur neuen Ampelkreuzung Frauengrund-Nord in Bessenbach teilgenommen. Ihre Gesprächspartner waren Vertreter des Staatlichen Bauamts (StBA) und des beauftragten Planungsbüros sowie der Bürgermeister der Gemeinde Bessenbach, der Leiter der Abteilung Tiefbau der Gemeinde Waldaschaff und ein Vertreter der Gemeinderatsfraktion der Bessenbacher Bürgerliste BBL.

Im Laufe des Gesprächs haben wir die in unserem Schreiben vom 31.10.2023 kritisierten Punkte diskutiert. Erfreulich schnell sind sich alle Parteien einig geworden, dass die asphaltierten Aufstellflächen vor der Kreuzung deutlich vergrößert werden müssen.   

Die Behördenseite verteidigt aber weiterhin die Auswahl der Führungsformen mit Hinweis auf Vorgaben zur Barrierefreiheit (1) und Sachzwänge vor Ort (2 und 3). 

Dazu möchten wir unsere Antworten festhalten:

1) Barrierefreie Mobilität ist auch ein Ziel des ADFC. Wir setzen uns für eine gerechte Flächenverteilung im Verkehr unter Berücksichtigung der Bedürfnisse aller Verkehrsteilnehmer ein. Die Behörde hat entschieden, Empfehlungen für Blinde und Sehbehinderte an dieser Kreuzung bis ins letzte Detail umzusetzen, aber Empfehlungen für den Radverkehr und andere rollende Mobilitätsformen völlig ignoriert. Beides wäre in Einklang zu bringen gewesen, wenn man breitere Querungsfurten gewählt hätte oder dem Radverkehr eine eigene, gesondert markierte Querungsfurt zugewiesen hätte. In Anbetracht der örtlichen Gegebenheiten und der zu erwartenden Nutzung wäre es aber auch ausreichend gewesen, weniger als 50% der Querungsbreite mit einem sechs Zentimeter hohen Bordstein für Blinde zu versehen. Die auf Null abgesenkte Restbreite könnte dann Radfahrern, Rollstuhl-, Kinderwagen- und Rollatornutzern gemeinsam zur Verfügung stehen. Dies würde Begegnungskonflikte vermeiden und die Kreuzung für Radler in gerader Linie durchfahrbar machen.
 

2) Die Behörden haben entschieden, das existierende Abbiegedreieck zur Autobahnauffahrt in das neue Kreuzungsdesign zu integrieren, obwohl es durch seine versetzte Lage und ungenügende Größe weder dem Fußverkehr noch dem Radverkehr eine komfortable und zügige Querung ermöglicht. Stattdessen werden nun diese Verkehrsflüsse aus Richtung Waldaschaff auf der Gewerbegebietsseite zu eng mit dem Geh- und Radweg zwischen Hösbach und Keilberg zusammengeführt. Rollende Verkehrsteilnehmer müssen überdies das “Tor zum Spessart” passieren, wo zwischen zwei Ampelpfosten in nur 1,70 m Abstand Zweirichtungsverkehr stattfinden muss. Laut Behördenaussage wird der Geh- und Radweg über das alte Abbiegedreieck geführt, weil sonst die Haltelinie auf der Fahrbahn nach hinten versetzt werden müsste. Um also einen minimal höheren Durchfluss für KFZ zu garantieren, werden nun Fußgänger im Zickzack über die Fahrbahn geführt und Radfahrer finden im schlimmsten Fall zwischen Ampelphasen keinen Schutz auf dem Dreieck.

3) Ein von uns in die Diskussion eingebrachter Kreisverkehr, der die Verkehrsbeziehungen besser abgebildet hätte und für alle Beteiligten Sicherheit und flüssigen Verkehr garantiert hätte, wurde laut Staatlichem Bauamt aufgrund der Autobahnanschlussstelle nicht realisiert. Die zuständige Autobahn GmbH verweigere sich dieser Lösung aus Sorge um gefährliche Falschabbieger. Andere gut funktionierende Beispiele in der Region (z.B. in Kleinostheim, aber auch in Hessen), wo ein Autobahnanschluss in den Kreisverkehr integriert ist, lassen uns an der Belegbarkeit dieser Aussage zweifeln. Die Gefahr durch falsch auffahrende Autofahrer ist bei dem neu gebauten Knotenpunkt mit Anschlussast und Tropfenform deutlich größer als bei einem Kreisverkehr. Dass ein Autofahrer auf der falschen Seite um den Fahrbahnteiler des Anschlussastes herum aus dem Kreisel abbiegt, ist fahrgeometrisch fast nicht möglich. Noch dazu bietet ein Kreisel größtmögliche Sicherheit und Leichtigkeit für alle Verkehrsteilnehmer, weil es hier keine Konflikte mit kreuzenden Verkehrsströmen gibt, sondern nur Tangentialströme mit Rechtsein- und Rechtabbiegern.

Dieser Knotenpunkt ist nun bedauerlicherweise mit Ampeln und Mittelinseln angelegt worden. Der ADFC Aschaffenburg-Miltenberg e.V.  fordert, die Ausführung dieser Kreuzung so fertigzustellen, dass sichere Mobilität für alle garantiert ist. Ein Versäumnis in der Planung kann kein Grund dafür sein, Mängel wie zu klein bemessene Flächen und Ampelmasten im Verkehrsraum nach Hinweis nicht zu beseitigen.

Die Aussage des Staatlichen Bauamts, dass man nun erst einmal ein halbes Jahr abwarten und beobachten werde, ob es zu Problemen kommt, hat uns erneut gezeigt, weshalb wir im Zeitraum 2022/2023 den Radentscheid Bayern mit auf den Weg gebracht haben. Die geschaffene Situation im Frauengrund widerspricht in eklatanter Weise dem erklärten Ziel der bayerischen Regierung, den Radverkehr zu fördern. Seit August 2023 ist außerdem im Artikel 10 des Bayerischen Radgesetzes geregelt, dass die Leichtigkeit und Sicherheit des Radverkehrs bei Kreuzungen zu berücksichtigen ist. Das StBA hat uns diesbezüglich mitgeteilt, dass die Planung des Knotenpunkts vor Inkrafttreten des bayerischen Radgesetzes abgeschlossen war. Bedeutet das, dass die Planung von Kreuzungen dieser Art heutzutage in Bayern nicht (mehr) rechtskonform ist? 

Unverständlich ist für uns außerdem, dass das technische Regelwerk “Empfehlungen für Radverkehrsanalagen (ERA 2010)” in der Planung schlichtweg ignoriert wurde. Von Seiten des StBA wurde deutlich gemacht, dass man sich dort nicht verpflichtet sieht, den Stand der Technik für Radverkehrsanlagen in Planungen einzubeziehen, solange es hierzu keinen Einführungserlass durch das StMB gibt. Eben dieses StMB publiziert aber auf seiner Internetseite das Radverkehrshandbuch Radlland Bayern, in dem es heißt: 

“Die „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ (ERA, Ausgabe 2010) bilden den straßenbautechnischen Rahmen und stellen die Grundlage für Planung, Entwurf und Betrieb von Radverkehrsanlagen dar. Die ERA ergänzen und vertiefen die maßgeblichen planerischen und entwurfstechnischen Richtlinien, insbesondere die „Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen“ (RASt, Ausgabe 2006) und die Richtlinien für die „Anlage von Landstraßen“ (RAL). Sie gelten für den Neubau und die wesentliche Änderung.” 

Wir werden diesen Sachverhalt auch dem ADFC-Landesverband übermitteln, da er nach unserer Einschätzung grundsätzliche Bedeutung hat. Weiterhin werden wir prüfen lassen, inwieweit die hier geschilderten Vorgehensweisen noch rechtskonform sind.

Hinweis zur ERA

Im bayerischen Einführungserlass zu den RAL ist auch explizit vermerkt, dass “für die Ermittlung der erforderlichen Breite von Geh- und Radwegen [...] die Empfehlungen für Radverkehrsanalagen (ERA 2010) heranzuziehen [sind].”

Im Radverkehrsprogramm Bayern 2025, veröffentlicht im Februar 2017, wird das zuständige Ministerium sogar noch deutlicher: “Die Einhaltung der Vorgaben der „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ (ERA) ist in Bayern bei allen Staatlichen Bauämtern gängige Praxis und wird im Rahmen von Sicherheitsaudits überprüft. Auch den Kommunen wurden die ERA zur Anwendung empfohlen.”

Ebenso verweist die deutschlandweit gültige Verwaltungsvorschrift zur StVO hinsichtlich der Gestaltung von Radverkehrsanlagen auf die ERA. Und in den neu aufgelegten Musterblättern für Radverkehrsanlagen, die die Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern e.V. (AGFK Bayern) in Abstimmung mit dem StMB erstellt hat, wird auch auf die ERA Bezug genommen.

Befahrung Bessenbach 28.10.2023

Am Samstag, den 28.10.2023 sind ADFC Ortsgruppe Bessenbach mit Mitgliedern des KV-Vorstands durch die verschiedenen Bessenbacher Ortsteile gefahren.

Dabei haben wir Zwischenstation an folgenden Punkten gemacht:

- Neu geplante Ampelkreuzung Gutshof

- Die völlig missratene Kreuzung Frauengrund/Waldaschaff der St 2307

- Kreisverkehr am Schulzentrum

- Übergang am Rewe

- Potenzielle Fahrradstraße Bachstraße

- Anbindung Oberbessenbach - Straßbessenbach

Wir erarbeiten dieser Tage eine Stellungnahme/Präsentation und schreiben relativ kurzfristig zu einzelnen Punkten die zuständigen Behörden an.

Weitere Info folgt im Laufe der Woche.

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